Massenentlassung – Fehler im Anzeigeverfahren: Rechtsprechungsänderung BAG vom 11.05.2023 – 6 AZR 267/22

Es könnte eine Rechtsprechungsänderung folgen, wonach zukünftig Verstöße gegen die Pflicht zur Massenentlassungsanzeige nicht mehr zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen. 

Bislang war ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass Fehler bei der Konsultation und Anzeige von Massenentlassungen regelmäßig zur Unwirksamkeit ausgesprochener Kündigungen führten.

Nun stellt das BAG erstmals eine Änderung der eigenen Rechtsprechung zur Unwirksamkeitsfolge in Aussicht. Denn mit der Entscheidung vom 11.05.2023 setzte der 6. Senat die Entscheidung in den vorliegenden und ähnlichen Rechtsfragen bis zur Klärung durch den EuGH (C-134/22) im Rahmen des Vorlagebeschlusses aus.

Der Senat beabsichtigt, seine Rechtsprechung, dass eine Kündigung als Rechtsgeschäft gegen ein gesetzliches Verbot iSd. § 134 BGB verstößt und die Kündigung deshalb unwirksam ist, wenn bei ihrer Erklärung keine wirksame Anzeige nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG vorliegt, aufzugeben.

Das Fehlen der Sollangaben nach § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG führt danach nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und damit nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Gleiches muss dann auch für fehlerhafte Soll-Angaben gelten, wie z.B. die fehlerhaften Angaben zum Lebensalter der von der Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmerin.

Bislang galt: BAG vom 22.11.2012 – 2 AZR 371/11

Eine Kündigung ist nach § 134 BGB nichtig, wenn im Zeitpunkt ihres Zugangs die – nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche -Massenentlassungsanzeige nicht wirksam erstattet ist.

Eine Massenentlassungsanzeige ist unwirksam, wenn ihr entgegen § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt ist und auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG nicht erfüllt sind.

Die Stellungnahme des Betriebsrates muss nicht zwingend in einem eigenständigen Schriftstück niedergelegt sein. Falls zwischen den Betriebsparteien im Zusammenhang mit den beabsichtigten Kündigungen ein Interessenausgleich nach §§ 111, 112 BetrVG zustande gekommen ist, kann die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG in diesen integriert werden.