Der Urlaubsanspruch für das laufende Kalenderjahr erlischt nach der gesetzlichen Regelung gemäß § 7 BUrlG, wenn dieser nicht bis zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres oder im Falle einer Übertragung bis zum 31. März des Folgejahres gewährt und genommen wurde.

Urlaub, der wegen einer Arbeitsunfähigkeit nicht im Jahr seines Entstehens bzw. während des Übertragungszeitraums genommen werden kann, verfällt nach bisheriger Rechtslage 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres. Der EuGH (Urteil vom 06.11.2018, Az. C-684/16) und das BAG (Urteil vom 19. 02.2019, Az. 9 AZR 423/16) verschärften jedoch zuletzt die Voraussetzungen für ein Erlöschen des Urlaubsanspruchs.

Demnach kann der gesetzliche Urlaub nur entfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig auffordert, seinen Urlaub zu nehmen, und diesen über den ansonsten drohenden Verfall der Urlaubstage aufklärt (Aufforderungs- und Hinweispflicht). Kommt der Arbeitgeber dieser Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, tritt der aus einem vorigen Kalenderjahr nicht verfallene Urlaub zu dem für das Folgejahr entstehende Urlaubsanspruch hinzu (Kumulieren von Urlaubsansprüchen).

In seinem Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 266/20, hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr entschieden, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers auch nicht der Verjährung unterliegt, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist.

In seiner weiteren Entscheidung 9 AZR 245/19 stellte das Gericht ebenfalls fest, dass bei einer Arbeitsunfähigkeit der Urlaubsanspruch bei einer Missachtung der Aufforderungs- und Hinweispflicht durch den Arbeitgeber trotz Ablaufs der geltenden 15-Monatsfrist fortbestehen kann. Damit schließt sich das BAG den Vorgaben des EuGH an.

Dem Arbeitgeber ist daher dringend zu raten, seine Arbeitnehmer einzeln über die jeweils bestehenden Urlaubsansprüche rechtzeitig zu unterrichten und diese Unterrichtung zur späteren Beweisführung zu dokumentieren.

Zu beachten ist jedoch, dass die Entscheidung des BAG den Urlaubsanspruch betraf, welcher in einem laufenden Arbeitsverhältnis entstanden ist. Der Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG, welcher erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht, ist davon nicht betroffen und unterliegt damit weiterhin der 3-jährigen Regelverjährung. Denn nach der Rechtsprechung ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ein reiner Geldanspruch, welcher sowohl der Verjährung und auch den etwaigen arbeits- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegt.

Der bisher nur vorliegende Pressemitteilung des BAG lautet wie folgt:

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Beklagte beschäftigte die Klägerin vom 1. November 1996 bis zum 31. Juli 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Beklagte an die Klägerin zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 Euro brutto. Der weitergehenden Forderung der Klägerin, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, kam der Beklagte nicht nach.

Während das Arbeitsgericht die am 6. Februar 2018 eingereichte Klage – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – abgewiesen hat, sprach das Landesarbeitsgericht der Klägerin 17.376,64 Euro brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das Landesarbeitsgericht den Einwand des Beklagten, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend.

Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Senat hat damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-120/21 -) umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2020 – 10 Sa 180/19 –

Hinweis: Vorabentscheidungsersuchen des Senats, Beschluss vom 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – (siehe auch Pressemitteilung Nr. 34/20 vom 29. September 2020)